ECKPUNKTE zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten von der Bundesregierung

Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland hängt in entscheidendem Maße davon ab, wie gut es uns gelingen wird, die Fachkräftebasis zu sichern und zu erweitern. Momentan prosperiert die deutsche Wirtschaft. Auch der Arbeitsmarkt steht hervorragend da: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr und die sozialversicherungspflichtige Beschäfti-gung schreibt Rekordzahlen. In manchen Regionen herrscht bereits Vollbeschäftigung. Diese er-freuliche Entwicklung bedeutet aber auch, dass Betriebe und Unternehmen bereits heute Schwie-rigkeiten haben, für bestimmte Qualifikationen, Regionen und Branchen qualifizierte Fachkräfte auch für die Zukunft zu finden. Insgesamt hat sich der Fachkräftemangel zu einem bedeutenden Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Der zunehmend spürbare demografische Wandel und eine rapide voranschreitende Digitalisierung werden dies künftig noch verstärken. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben und einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten wollen, müssen wir uns gemeinsam mit der Wirtschaft um die Fachkräfte bemühen, die der Arbeitsmarkt braucht: Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Personen mit qualifizierter Berufsaus-bildung. Auch die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme ist eng daran gekoppelt.
Wir werden das Fachkräftekonzept der Bundesregierung neu ausrichten, indem wir eine umfassende Fachkräftestrategie im Kabinett 2019 beschließen und auf drei Bereiche konzentrieren: die inländischen, die europäischen und die internationalen Fachkräftepotenziale. Die Bundesregie-rung wird im Dialog mit den Sozialpartnern die Fachkräftestrategie erarbeiten.
Dabei richten sich unsere Anstrengungen zunächst und prioritär darauf, die inländischen Potenzia-le zu heben und zu sichern. Wir werden die Anstrengungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf intensivieren, denn es gilt, gerade bei den Frauen die wertvollen noch ungenutzten Potenziale zu erschließen. Wir wollen auch denjenigen Teilhabe ermöglichen, deren Ein-gliederung in den ersten Arbeitsmarkt erschwert ist und besonderer Unterstützung oder Anstren-gungen bedarf. Eine wesentliche Stellschraube wird die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit aller Erwerbstätigen sein. Konkret gilt es, sie zu unterstützen, ihre Qualifikationen und Kompetenzen im Wandel der Arbeitswelt zu erhalten und anzupassen. Dazu werden wir eine Nationale Wei-
terbildungsstrategie gemeinsam mit allen Akteuren entwickeln, um auch die Weiterbildungspro-gramme des Bundes und der Länder zu bündeln und diese stärker auf die Bedarfe der Beschäftig-ten und Unternehmen auszurichten. Anknüpfend an das vielfältige Weiterbildungsengagement der Betriebe und die Motivation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen wir eine neue Wei-terbildungskultur etablieren.
Wir als Bundesregierung schaffen die passenden Rahmenbindungen für die Fachkräftesicherung. Um den Bedarf des Arbeitsmarktes der Zukunft zu decken, müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Dazu gehört auch, die Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäfti-gung infolge ihres Aufenthaltsstatus ausüben dürfen, für unseren Arbeitsmarkt zu nutzen.
Auch sollen in Umsetzung des Koalitionsvertrages die einheitliche Anwendung der Ausbildungs-duldung (3+2-Regelung) umgesetzt sowie die vereinbarten Ausbildungen in Helferberufen einbe-zogen werden.
Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest. Wir werden im Auf-enthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.
Darüber hinaus werden wir uns verstärkt dafür einsetzen, dass mehr Personen eine qualifizierte Ausbildung absolvieren.
Fachkräfte aus dem Ausland leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähig-keit der deutschen Wirtschaft. Nachdem das hohe Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gestützt wurde, geht dieser Wanderungssaldo derzeit zurück. Wir werden uns zukünftig stärker dafür einsetzen, Fachkräften aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union langfristige Chancen in Deutschland aufzuzeigen.
All diese Bemühungen werden in Zukunft jedoch nicht ausreichen, um genügend Erwerbstätige zu mobilisieren. Ergänzend müssen wir daher auch bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten deutlich erfolgreicher werden. Dies gilt auch für die Ausbildung zu Fachkräften. Wich-tig ist dabei: Wir wollen keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger. Wir werden durch klare Kriterien dafür Sorge tragen, dass die Vorschriften nicht missbraucht werden können.
Insgesamt richten wir unsere Bemühungen am Bedarf unserer Volkswirtschaft aus und berück-sichtigen die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeits-platzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise.
Wir wollen die Verwaltungsverfahren im In- und Ausland effizienter und transparenter gestalten.

Vor diesem Hintergrund haben wir auf der Grundlage des Koalitionsvertrags folgende Punkte zur gezielten und gesteuerten Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten beschlossen:

1. Rechtlicher Rahmen: Fachkräfteeinwanderung bedarfsgerecht steuern und stärken
Mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz regeln wir klar und verständlich, wer zu Arbeits- und Ausbildungszwecken zu uns kommen darf und wer nicht. Wir setzen am Fachkräftebedarf unserer Wirtschaft an und werden die bestehenden Regelungen ge-zielt öffnen sowie klarer und transparenter gestalten. Den Fokus legen wir auf den Bedarf an Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung. Wichtig bleibt, dass wir grund-sätzlich an der Gleichwertigkeitsprüfung der Qualifikationen festhalten, um sicherzu-stellen, dass sich die Fachkräfte langfristig in den Arbeitsmarkt integrieren. Auch die Prüfung der Arbeitsbedingungen durch die Bundesagentur für Arbeit bleibt bestehen. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme werden wir verhindern.
Wenn ein Arbeitsplatz und eine anerkannte Qualifikation vorliegen, sollen Hochschulab-solventinnen und -absolventen sowie Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung in al-len Berufen, zu denen die erworbene Qualifikation befähigt, in Deutschland arbeiten können. Damit fällt die Beschränkung auf Engpassberufe weg. Wir verzichten im Grundsatz auf die Vorrangprüfung. Zum Schutz unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es die Möglichkeit geben, die Vorrangprüfung in Arbeitsmarktregionen mit überdurch-schnittlich hoher Arbeitslosigkeit beizubehalten bzw. kurzfristig wiedereinzuführen.

Für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung, die aus dem Ausland einreisen, werden wir die Möglichkeit (ohne Rechtsanspruch) des befristeten Aufenthalts zur Suche eines Arbeitsplatzes in allen Berufen, zu denen die erworbene Qualifikation befähigt, analog zur Regelung für Hochschulabsolventinnen und -absolventen (6 Monate) vorsehen. Voraus-setzung ist insbesondere, dass eine anerkannte Qualifikation und der angestrebten Tätig-keit entsprechende deutsche Sprachkenntnisse vorliegen. Aus konjunkturellen Gründen können durch Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen ausgeschlos-sen werden. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab. Dazu halten wir am Erfordernis des Nachweises der Lebensunterhaltssicherung vor Einreise fest. Die Regelung wird auf fünf Jahre befristet.
Die bereits bestehende Möglichkeit, auf der Basis ausländischer Qualifikationen in Deutschland Qualifizierungsmaßnahmen zum Erlangen eines in Deutschland anerkannten Abschlusses durchzuführen (§ 17a AufenthG), soll stärker genutzt werden. Wir werden daher prüfen, wie wir diese Möglichkeit rechtlich und tatsächlich attraktiver gestalten können.

Um der wachsenden Zahl offener Ausbildungsplätze zu begegnen, wollen wir Möglichkei-ten des Zugangs zur Berufsausbildung verbessern. Dabei werden wir Rahmenbedingun-gen prüfen, wie wir Möglichkeiten zur Suche eines Ausbildungsplatzes schaffen können und welche Bewerber dafür geeignet sein könnten.
Für mehr Transparenz werden wir die Vorschriften zur Fachkräfteeinwanderung neu struk-turieren, vereinheitlichen und vereinfachen. Hiermit wollen wir den Fachkräften im Ausland ein klares und verlässliches Signal über ihre Chancen und Perspektiven in Deutschland geben. Zudem wollen wir weitere strukturelle Vereinfachungen des Aufenthaltsrechts so-wie Anpassungen bei Definitionen, Verfahren und Zuständigkeiten vornehmen.

2. Qualität der Berufsausübung sichern: Schnelle und einfache Anerkennungsverfahren
Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte: Die Anerkennung mitgebrachter beruflicher Qualifikationen ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Arbeitsmarktintegration. Sie sichert die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt und trägt zur Sicherstellung der Qualität der Be-rufsausübung in Deutschland bei. Um Deutschland für internationale Fachkräfte attraktiver zu machen, wollen wir die Voraussetzungen schaffen, dass die Gleichwertigkeits-prüfung der beruflichen bzw. akademischen Qualifikationen möglichst schnell und unkompliziert durchgeführt wird.

In Zusammenarbeit mit den Ländern wollen wir das Anerkennungssystem für Berufsabschlüsse fortentwickeln, durch Bündelung und Zentralisierung effizienter gestalten und un-ter Wahrung der Qualitätsstandards vereinfachen. Wir streben die Einrichtung einer Clea-ringstelle Anerkennung an, die Fachkräfte aus dem Ausland durch das Anerkennungsverfahren begleitet und dieses unterstützt.
Wir werden die Informationsangebote für potenzielle Fachkräfte weiter verbessern.
Die Beratungsangebote für Interessenten im Ausland werden wir ausweiten, sowohl vor Ort als auch durch Entwicklung einer zentralen Beratungsstruktur. Darüber hinaus werden wir das regionale Beratungsangebot für Fachkräfte aus dem Ausland im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ weiter ausbauen.
Den Anerkennungszuschuss werden wir ausweiten.
Den von unserer Wirtschaft dringend benötigten Bedarf an IT-Fachkräften sowie in weite-ren ausgewählten Engpassberufen wollen wir bei ausgeprägten berufspraktischen Kennt-nissen auch ohne formalen Abschluss einen Arbeitsmarktzugang ermöglichen, wenn sie einen Arbeitsplatz haben.

3. Gezielte Gewinnung von Fachkräften: Strategie für eine gezielte Fachkräftegewinnung und ein verbessertes Marketing gemeinsam mit der Wirtschaft
Wir wollen Fachkräfte und angehende Fachkräfte gezielt für Deutschland gewinnen. Hierfür werden wir mit einer gemeinsamen Strategie der Bundesregierung in Zusam-menarbeit mit der Wirtschaft an die zahlreichen bereits bestehenden guten und erfolgreichen Initiativen anknüpfen.
Wir werden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wie auch den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine bedarfsorientierte und gezielte Werbestrategie zur Gewinnung von Fachkräften mit Blick auf ausgewählte Zielländer erarbeiten. Neben einem gezielten Mar-keting sowie Vermittlungs- und Matchingaktivitäten soll diese auch die Etablierung von Ausbildungsangeboten im Ausland beinhalten. Dabei wollen wir auch Unternehmen in ausgewählten Zielländern unterstützen, zusätzlich für den deutschen Arbeitsmarkt auszu-bilden. Bei unseren Maßnahmen vor Ort werden wir kohärent handeln. Dabei sind wir uns als Bundesregierung der internationalen Prinzipien für eine ethisch verantwortbare Ge-winnung von Fachkräften bewusst und werden diese bei unseren Maßnahmen berück-sichtigen und positive Effekte (z.B. Kapazitätsaufbau, Stärkung lokaler wirtschaftlicher Entwicklung) fördern.

Das offizielle Informationsportal www.make-it-in-germany.com wollen wir zu einem Dach-portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland ausbauen. Das gemeinsam von BMWi und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag geleitete Netzwerk „Ausländische Fachkräftepotenziale erschließen und Willkommenskultur schaffen“ wird dazu genutzt, geplante Maßnahmen zur gezielten Gewinnung von Fachkräften am Bedarf der Wirtschaft zu orientieren.

4. Deutsche Sprachkenntnisse wichtig: Verstärkte Sprachförderung im In- und Ausland
Die Kenntnis der deutschen Sprache ist sehr wichtig, um auf dem deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu bestehen. Abgestimmt auf die Zielländer der Werbestrategie werden wir daher unsere Sprachförderung im In- und Ausland intensivieren.
Hierzu wollen wir die Sprachkurse durch das Goethe-Institut stärker fördern und die berufsbezogene Deutschsprachförderung weiterentwickeln, die Kooperation der Wirtschaft insbesondere Deutscher Industrie- und Handelskammer-tag/Deutsche Auslandshandelskammern, Bundesverband der Deutschen Industrie, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Zentralverband des deutschen Handwerks aber auch Regionalvereine wie Nah- und Mittelostverein oder Einzelunter-nehmen) mit Auslandsvertretungen ausbauen mit dem Ziel der Förderung von Deutsch als Fremdsprache, z.B. in Form von Praktika, Vorträgen oder Career Days (insbesondere in Kooperation mit den Schulen der Partnerschulinitiative (PASCH)),

Testformate für berufsbezogene Sprachkenntnisse des Goethe-Instituts und der Zentral-stelle für das Auslandsschulwesen vermehrt nutzen, den Erwerb von Sprach- und Studierfähigkeit im Paket vermehrt anbieten und fördern (beispielsweise durch die schon vorhandene „Studienbrücke“ des Goethe-Instituts), die Möglichkeit eines Ausbaus von Studienkollegs insbesondere im Ausland prüfen (Erwerb von Sprachqualifikationen und Hochschulzugangsvoraussetzungen) und die Mög-lichkeit schaffen, Studienkollegs im Ausland zu absolvieren (einschließlich Feststellungs-prüfung), berufsbildende Kooperationen mit Schulen im Ausland und Ausbildungspartnerschaften ausbauen, um dazu beizutragen, den Bedarf an Fachkräften mit qualifizierter Berufsaus-bildung (z.B. in den Bereichen Technik, IT, Gesundheit und Pflege) zu decken und Angebote von Berufsbildungsprogrammen mit integrierter Sprachausbildung, insbesonde-re im Pflegebereich, schaffen, die schwerpunktmäßig im Ausland angeboten und durch die Branche selbst finanziert werden.

5. Verwaltungsverfahren im In- und Ausland effizienter und transparenter gestalten
Die Anregungen aus der Praxis zu Verbesserungen bei Kommunikation, Verfahrens-dauer und der Erreichbarkeit unserer Behörden greifen wir auf. Wir werden die Verfah-ren zwischen Visastellen, Ausländerbehörden, der Arbeitsverwaltung, zuständigen Stel-len für die Anerkennung beruflicher Qualifikationen sowie dem Bundesamt für Migrati-on und Flüchtlinge überprüfen und auf dieser Basis effizienter, transparenter und zu-kunftsorientiert gestalten.
Wir werden Möglichkeiten für e-Government-Lösungen nutzen und ausbauen und wollen ein wettbewerbsfähiges Online-Angebot zur Information und Beratung sowie perspekti-visch auch zur Antragstellung und Kommunikation zwischen den Beteiligten einrichten; insbesondere wollen wir das Visumverfahren digitalisieren. Möglichkeiten zur Bündelung von Kompetenzen werden wir prüfen.
Wir wollen, dass die Auslandsvertretungen in den Verfahren zur Fachkräfteeinwanderung bestmöglich durch die Inlandsbehörden unterstützt werden, um das Verfahren zu beschleunigen.

Die Verwaltungsverfahren im Bund werden mit den notwendigen finanziellen und perso-nellen Ressourcen unterlegt.
Um ein kohärentes Vorgehen und eng verzahnte Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung sicherzustellen, haben wir im April 2018 eine Steuerungsgruppe auf Staatssekretärsebene einge-richtet. Hier werden wir uns weiterhin regelmäßig über die erforderlichen Maßnahmen austau-schen und neue Herausforderungen in den Blick nehmen. Unsere Ziele wollen wir gemeinsam erreichen.

Sollten diese Erleichterungen 2023 in einem Gesetz enden, wäre dies eine Weg zur Fachkräftegewinnung.

Ihr Rudolf Sagner